Mit dem Staat im Bett
In der Samstagsausgabe der NZZ hinterfragt Hansueli Schöchli Subventionen für das Kinderkriegen und Katharina Fontana wettert gegen den Staat, der sich als Beschützer der Frauen aufspielt. Natürlich ist niemand gegen das Kinderkriegen, aber wenn der Staat im Schlafzimmer Mamas Händchen hält, ist Schluss mit lustig. „Well, there were three of us in this marriage, so it was a bit crowded.“ Das waren einst Diana Spencers Worte. Auf eine Ménage à troi mit Vater Staat hat nun wirklich niemand Lust, müsste man meinen. Doch viele wünschen genau das: die öffentliche Hand soll über die traute Zweisamkeit samt Nachwuchsfolgen wachen. Eben noch glaubte man, den ständischen Charakter des Geschlechterverhältnisses überwunden zu haben. Das schweizerische Zivilgesetzbuch strich schon 1912 die eheliche Vormundschaft, 1988 trat dann ein Eherecht in Kraft, das nicht mehr auf einem Abhängigkeitsverhältnis, sondern auf partnerschaftlichen Vorstellungen beruhte. Nachdem seit 2013 auch Ehefrauen ihren Namen weiter tragen dürfen, rückte mit der Individualbesteuerung nun also die vollständige Überwindung der alten Zustände in greifbare Nähe. Bis heute erhalten geblieben allerdings ist der Zivilstand als letzte Bastion der ständischen Ordnung, und er wird ganz offensichtlich bis aufs Blut verteidigt.
Was, wenn der Liebste sich beim Namen querstellt, fragt Katharina Fontana. Dann sollte man die Hochzeit vielleicht besser bleiben lassen, und damit eine spätere Scheidung verhindern. Doch genau in diesem Augenblick sieht sie die Versorgungsfelle davonschwimmen. Auf Händen über die Schwelle ins Rundumsorglosparadies getragen, verzichtet sie lieber auf ihre Freiheit und unterwirft sich brav der ständischen Vormundschaft. Es bleibt die Frage, warum die Herren sich nicht dagegen wehren. Nicht alle Männer wollen nur Ernährer und Erzeuger sein, das gilt es ebenso zu respektieren, wie wenn Frauen in ihrem Leben nicht allein die Mutterrolle spielen wollen. Doch wer glaubt, nun folgt ein Plädoyer gegen die Frauenquote, der irrt. Denn genau sie ist der Schlüssel zur weiblichen Unabhängigkeit, und damit zum Garten Eden des von der Versorgungspflicht befreiten Mannes. An der Schwelle zur Freiheit muss die Frau nämlich entscheiden, ob sie den nach wie vor riskanten Saumpfad mit Glasdecke und Kinderfalle wählt, oder nicht doch die Autobahn in den sicheren Ehe- und Familienhafen nimmt. Notabene eine Autobahn mit staatlichen Leitplanken und dem Mann als Pannenstreifen. Es ist nicht a priori unvernünftig, sich jetzt gegen die Emanzipation zu entscheiden, deshalb gibt sie ihren Namen auf, zum Wohl der Kinder, die zweifellos familiäre Sicherheit und einen Vater brauchen.
Es bleibt nur ein Weg, ihr an diesem Punkt im Leben die Hand zu reichen: mit dem eigenem Einkommen für eine Zukunft, die mindestens ebenso sicher ist, wie die altertümliche Versorgung durch Mann und Staat. Damit Frauen ohne Skrupel die selbstverantwortliche Unabhängigkeit wählen können, reicht es nicht, am Grad der Abhängigkeit kosmetische Retuschen anzubringen, vielmehr gehört die Abhängigkeit als Option an sich abschafft. Solange im Angesicht dieses folgenschweren Entscheides eine sichere und nach wie vor gesellschaftlich anerkannte Alternative besteht, bekommt es nämlich jede Frau mit der Angst zu tun. Natürlich kämpft eine Mutter dann mit ihrem Gewissen, zumal sie sich bis heute dem Verdacht aussetzt, es aus Eigennutz und nur zur Selbstverwirklichung zu tun. Wer das ändern will, muss für das heutige Namensrecht, das gemeinsame Sorgerecht für alle Elternpaare unabhängig vom Zivilstand und die Individualbesteuerung einstehen. Und eben auch für eine Frauenquote, weil nur sie aus dem Lippenbekenntnis zur Frau am Arbeitsplatz ein glaubwürdiges Erwerbsversprechen macht. Hingegen wird jede Forderung nach einer Verschärfung des Bindungs- und Absicherungszwangs für Paare die Frau spätestens mit Kindern aus dem Büro und in die Versorgungsehe treiben.
Im Schlafzimmer hat Vater Staat freilich nichts zu suchen, aber die Gesellschaft muss Rahmenbedingungen schaffen, unter denen Frauen sich unabhängig von einem Mann auch mit Kindern und im Alter versorgen können. So lange Wirtschaft und Gesellschaft die Selbständigkeit der Frau nur halbherzig goutieren, ist es mehr als unfair ihr vorzuwerfen, sich aus Bequemlichkeit dem Mainstream zu ergeben. Indem wir ständig den Männern ins Portemonnaie langen, zementieren wir nicht nur den Status Quo, sondern graben uns zurück ins 19. Jahrhundert. Natürlich soll Papa für seine Kinder Unterhalt bezahlen, will er diesen nicht allein bestreiten, muss er ihr allerdings auch einen Teil der Verantwortung für Nest und Nachwuchs abnehmen. Die richtige Frage lautet deshalb nicht, warum die Frau sich nicht emanzipieren mag, sondern warum der Mann für diese Emanzipation trotz signifikanter Ausgabenreduktion keine Opfer bringen will. Statt aus sicherer Karrieredistanz murrend eine Frau an Herd und Wickeltisch zu finanzieren, müsste er sich nämlich selbst den Risiken von Doppelbelastung und Teilzeitarbeit aussetzen. Die Mehrheit scheint das nicht zu wollen, sonst würde man kaum den Staat im Bett einer Versorgungsehe dulden, sondern Elternzeit und Frauenquoten fordern. Solange eine Frau aber für ihre Mutterschaft mit Verdiensteinbussen, Karriereverzicht und einer unsicheren Zukunft bezahlen muss, wird sie weiterhin den gefahrloseren Weg wählen. Eine Wahl, die von Männern, Staat und Gesellschaft nach wie vor lobend unterstützt wird und für dessen Konsequenzen viele Männer nicht zuletzt aus eigener Bequemlichkeit noch immer bereit sind, einen erstaunlich hohen Preis zu zahlen.