Follow me!

Das Wort Follower erhält eine völlig neue Bedeutung: Folge mir – weg von Twitter, das jetzt X heisst und wo das anregende Gezwitscher längst zum gehässigen Gekreische streitender Elstern geworden ist. Folge mir in den blauen Himmel, der nach einigen Irrwegen verhalten verspricht, eine brauchbare Alternative zu werden. Auch, weil man dort tatsächlich manch vertrautem blauem Vogel begegnet. Allerdings ist an der Himmelspforte erst einmal Geduld gefragt: für Bluesky braucht es eine Eintrittskarte. Es hat mich gerührt und gefreut, den Zugangscode ausgerechnet von einem meiner ersten Twitter-Bekanntschaften zu erhalten. Aber es hat mich auch daran erinnert, wie sehr sich diese Plattform verändert hat. Lang ist es her, seit es Tweet-Ups gab und Begegnungen in der Voliere auch das echte Leben nachhaltig zu bereichern vermochten. Während man woanders sich mit alten Freunden vernetzte, fand man auf Twitter neue. Nebst klugen und lehrreichen, nicht selten erheiternden und immer bereichernden Zeilen, bot Twitter auch jenseits der Worte eine reale Welt, die trotz Blasengefahr und Störangriffen manch denkendem Wesen eine ausreichend grosse Insel der geistigen und sozialen Geborgenheit bieten konnte.

Vor einem Jahr hat auf der Insel eine Rakete eingeschlagen, mit einem Lavaboträger an Bord. Keinem X-beliebigen, sondern einem Xliebenden. Hier hat keine Eva in den Apfel gebissen, sondern ein Elon ins Vogelnest. Jetzt gibt es viele Gründe für eine Flucht. Sehr viele, sehr gute Gründe, und es kommen beinah täglich neue dazu. Es ist also Zeit, den Vogel tatsächlich zu befreien, und ihn aus dem Vogelkäfig in den blauen Himmel zu entlassen! Integer zu handeln, wenn es einen etwas kostet, sei gar nicht so leicht, schrieb Reda El Arbi auf Bluesky. Wie schwierig es sein kann, merkt man erst, wenn man tatsächlich entscheiden muss, ob man bleiben soll oder gehen will. Zugegeben, mit meinen auch meiner Schreibfaulheit geschuldeten ohnehin schon fast auf die Hälfte zusammengeschrumpften Followerzahl im einstigen Zwitscherparadies, ist der persönliche Wechselschmerz vergleichsweise verkraftbar. Trotzdem, an meiner kleinen aber ausgesprochen feinen Blase habe ich lange und mit sehr viel Liebe gearbeitet. So fällt mir der Abschied nicht leicht. Ich bin all jenen aus ganzem Herzen dankbar für alles, was meinen Horizont erweitert hat. So sehr, dass hinter dem Horizont der Himmel wartet.

Ich folge anderen, weg aus dem untergegangenen Paradies, hinein in den blauen, allerdings noch ziemlich stillen Himmel. Es braucht noch viele dort, damit auch da wieder inspirierende und bereichernde Töne erklingen, mit viel Resonanz. Es mag sein, dass die Namenswahl mit Bluesky für eine Microblogging-Plattform unpassend ist: im Himmel ist gemeinhin wenig Lärm. Aber es wird lauter. Mögen noch viele folgen! Wie manches ging auch die Vogelinsel schleichend unter, und während es am einen Ort lauter wurde, verstummten die vertrauten Stimmen am andern. Es ist Zeit geworden, mich auf diesem Kanal zu verabschieden. Weil es Twitter nicht mehr gibt, weil es mir hier zu schiech wird. Vor allem aber, weil ich Euch auf X nicht mehr höre.

Wo früher bei einer Twittermitteilung Freude herrschte, enervieren sie einen heute mindestens so sehr, wie die telefonischen Werbeanrufe am Feierabend. Man freut sich, weil einem jemand seine Aufmerksamkeit schenkt, nur um enttäuscht festzustellen, dass man lediglich mehr oder weniger zufällig zu einer Zielgruppe gehört, deren Aufmerksamkeit irgendein Anbieter für irgendwas gerade rücksichtslos sucht. Auf X ist man ein Produkt geworden, alles andere muss man kaufen, was immerhin dann auch völlig in Ordnung wäre, wenn das, was man dafür bekommt, auch einen Wert hätte. Doch gerade der ist in ähnlichem Ausmass gesunken, wie der Unternehmenswert der Plattform. Als Morgenstern bezeichnet man gemeinhin das hellste Gestirn, das vor Sonnenaufgang im Osten noch sichtbar ist. Meist ist es die Venus, die uns in den Tag geleitet, bevor sie am Himmel ins Tageslicht eintaucht. Die Venus ist aufgegangen. Ich ziehe um und freue mich darauf, Euch dort wieder zu begegnen!

PS: Wie oft bei Umzügen, wirft man Altes weg, dekoriert neu und schafft sich das eine oder andere Möbelstück an. Auch ich habe die Gelegenheit genutzt und meinem Blog ein neues Zuhause eingerichtet. Klopft an und tretet ein, ich freue mich sehr auf Euern Besuch!

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