Bespiel mich!

Es ist zumindest unter direkt Betroffenen eine anerkannte Tatsache, dass Katzen regelmässig bespielt werden wollen. Das Verb ist mir denn auch zunächst nur in der engen Bedeutung einer menschlichen Unterhaltungsbemühung für Stubentiger begegnet. Ich hielt es in diesem Zusammenhang für passend. Seitdem der Ausdruck allerdings auch auf Kinder bezogen auftaucht, spüre ich den dringenden Wunsch, das Wort kursiv zu setzen, im Sinne eines typologischen Nasenrümpfens. Eltern bemühen sich aktiv, ihren passiven Nachwuchs zu bespielen. Es war schon länger zu beobachten, doch das Phänomen hatte keinen Namen. Nun sind die einst Bespielten volljährig. Es überrascht folglich kaum, dass das Bedürfnis, von Mitmenschen bespielt zu werden, zunehmend auch unter Erwachsenen salonfähig geworden zu sein scheint. Wer seine eigenen Ansprüche bei dieser Gelegenheit einmal mit dem Mainstream abgleichen möchte, dem seien Paarungsplattformen empfohlen. Sie geben zumindest diesbezüglich bereitwillig Auskunft. Nirgends sonst wird man so ausdrücklich zum Wunschzettelschreiben aufgefordert und dazu gedrängt, Sätze mit «Ich will» zu beginnen. Lässt man die Verzierungen einmal weg, heisst es dann fast überall: ich will bespielt werden.

Wir wollen unterhalten, verwöhnt, getröstet und gefüttert werden. Wir wollen uns die Sorgen von der Seele reden dürfen und erwarten, dass man uns zuhört. Ohne uns Ratschläge zu geben, aber bitte mit passendem Lösungsvorschlag. Wir wollen verstanden und erkannt werden, ohne uns zu erklären. Andererseits wollen wir in Ruhe gelassen werden, wenn uns danach ist. Wir erwarten Vertrauen, ohne dafür Geduld aufbringen zu müssen. Wir fordern Rücksicht, ohne selbst über Gebühr nachsichtig zu sein. Was nicht geht und passt, haben die meisten bereits erfahren, diesmal soll es einfach sein, ohne Kompromisse, wir haben endlich Perfektion verdient. Im eng gesteckten Alters-, Lohn- und Bildungsband wird gezielt und mit der festen Überzeugung gesucht, dass allein die klare Vorstellung des Gewünschten den Anspruch aufs Finden rechtfertigt. Auf Langeweile haben wir keine Lust, zum Investieren fehlt uns die Zeit. Bespiel mich, oder ich bin weg.

Quiero. Ich will. Das Poster mit Jorge Bucays Gedicht hing einst in jedem Buchladen. Womöglich hat sich kaum jemand die Mühe gemacht, das gute Dutzend kurzer Sätze auch wirklich einmal zu Ende zu lesen. Ich will, in grosser roter Schrift, das allein ist offenbar allen in Erinnerung geblieben. Das Kleingedruckte las auch schon damals keiner. Doch es reicht nicht nur zu wollen, man muss auch tun, wusste schon der weise Goethe. Peter Ustinov fiel es vor allem an den Frauen auf: viele wissen nicht, was sie wollen, aber sie sind fest entschlossen, es zu bekommen. Das trifft natürlich auch auf manche Männer zu, nur klingt es (bei Napoleon) entsprechend weniger charmant: Das Schlimmste in allen Dingen ist die Unentschlossenheit. Fassen wir es mit Kant zusammen: Viele Menschen haben keine Idee von dem, was sie wollen, daher verfahren sie nach Instinkt und Autorität. Bespiel mich, dann folg ich dir.

So aktiv die Willensäusserung auch wirken mag, wer fordert, überlässt sich der Passivität. Denn was immer auch dann kommt, oder eben gerade nicht, liegt nun in fremden Händen. Wer bespielt werden will, der läuft Gefahr, ein von anderen gewähltes Spielzeug nicht zu mögen und sich bald damit zu langweilen. Oder noch schlimmer: keiner will mit einem spielen. Ich will bespielt werden? Passiver geht es kaum. Die Millennials haben längst gelernt, im ständigen Posten, Scrollen und Swipen die Befriedigung eines vermeintlich wechselseitigen Austausches zu finden und wissen, wie man sich mit dem Teilen von Spiegelselfies wunderbar selbst bespielen kann. Die Smartphonegeneration mag eine Jasstafel für ein analoges Steinzeit-Tablet halten, doch einst spielte sich darum herum dank Dialog, Disput und Dissonanz oft sehr Kurzweiliges ab. Mag sein, dass man dabei das Risiko einging, auch eigene Beiträge leisten zu müssen, es war möglich, dass man zuweilen heftige Reaktionen auslöste, nicht selten auch Kritik einsteckte. Oft lag man falsch, blamierte sich gar, musste sich überzeugen lassen und lernte einiges dazu. Manchmal entdeckte man unverhofft Gemeinsamkeiten und es kam durchaus vor, dass man auch mal recht behielt. Vielleicht ist es diese Interaktion von Individuen, wonach sich jene wirklich sehnen, die bespielt werden wollen, aber eigentlich meinen: lass uns aufeinander eingehen, dann bleibe ich.

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