Frontaler Freiheitskampf

Es regt sich Widerstand gegen den aufgeblasenen Staat, das Libertariat verteidigt persönliches Eigentum und individuelle Entfaltungsmöglichkeiten. Es geht um das Recht auf die eigene Freiheit, die nur dann dort aufhört, wo die des anderen anfängt, wenn einer stark genug ist, die seine zu verteidigen. Ausgerechnet mit der eigenen Überlegenheit wird die Machtausübung legitimiert, wer unterliegt, hat nicht genug getan, zu wenig gekämpft oder einfach nicht mehr gewollt. Erfolg ist der verdiente Lohn für das erwiesenermassen gute Handeln, der Misserfolg die Quittung für das falsche. Wer so sicher weiss, dass er der Stärkere ist, setzt seine Haltung gerne mit Gewalt durch. Dieselben Regeln galten schon auf dem Pausenplatz, im Sandkasten und im Kinderspielzimmer. Die Sieger fürchten nur den einen Feind: den Staat, der auch den Schwächeren zuweilen längere Spiesse gibt. Folglich bekämpft man ihn mit allen Mitteln und durch alle Gewalten: man kapert den Volkswillen, kritisiert die Regierung, kontrolliert Richter und kauft Aufmerksamkeit.

Aber auch von ganz anderer Seite wird ein Machtanspruch mit der Überlegenheit der eigenen Lebensart legitimiert, auch hier nimmt man billigend in Kauf, mit der Durchsetzung der eigenen Haltung die Freiheit anderer einzuschränken. Allerdings nehmen sie nicht, wovon sie glauben, dass es ihnen zusteht, sondern fühlen sich im Gegenteil mit dem eigenen Verzicht dazu legitimiert, von anderen dieselbe Enthaltsamkeit einzufordern: kein Fleisch, kein Rauch, kein Auto, dafür Bio, Sport und Helm. Väterchen Staat ruft man herbei, um dank Verboten und Geboten durchzusetzen, wovon man glaubt, dass es zum Wohle aller auch für alle gelten muss. Wem diese staatliche Bemutterung zu weit geht, sähe den Staat gern zu Gurkensalat zerschlagen. Nun sind es die Staatsfeinde von einst, die fünfzig Jahre später das Erreichte gegen die Bierideen einer neue Generation junger Wilden verteidigen. Mögen die Vorstösse nun auch aus der politisch entgegengesetzten Richtung kommen, so steckt nach wie vor derselbe Wunsch darin: die Umgestaltung der von anderen geprägten Welt nach eigenen Vorstellungen.

Lange Zeit galt das Subsidiaritätsprinzip: erst wenn die kleinste Einheit mit einer Aufgabe überfordert ist, soll sich die nächst höhere darum kümmern. Ein Engagement für Veränderungen begann folglich im Kleinen und führte vielleicht hin zum Grossen. Der eigene Einfluss verschob sich dabei wohl durch die Instanzen, aber er blieb stets auf das unmittelbare Umfeld beschränkt. Wer in die Höhe steigt gewinnt an Übersicht, verliert aber die Details aus den Augen, umgekehrt schwindet von dort, wo man Apfelsorten und Getreidearten mit blossem Auge unterscheiden kann, das Aufsteigende bald zum unscheinbaren Pünktchen. Nun hat die Digitalisierung die alten Orte ihrer räumlichen Distanz beraubt, sie ungefragt in die Virtualität eines einzigen globalen Dorfes geworfen. Was oben war liegt plötzlich unten, das Linke kommt jählings von rechts, nicht einmal Veränderungen halten sich noch an den guten alten Lauf der Zeit, sondern brechen disruptiv über uns herein. Nicht selten liegt ein Machtzentrum nun an der Peripherie, sitzt der Spatz auf dem Dach und hält man unverhofft die Taube in der Hand.

Verunsichert wischen Wähler manch altbekannte Figur wütend vom Spielbrett und wenden sich im Vertrauen auf ein Glück-Zurück-Versprechen den Grünschnäbeln, Schreihälsen und Blendern zu. Geduld und Ausdauer sind keine Werte mehr in einer Welt, in der zum schnellen Erfolg hochtrainierte Langarmige die tiefhängenden Früchte noch hart und grün vom Baum reissen. Denn Zeit ist Geld, dass gerade deshalb Qualität den hohen Preis auch kostet, ist Geiz und Gier sei Dank nurmehr eine Ironie des freien Marktes. Einst waren es die Jahreszeiten, Regentage und Sonnenstunden, die Tomaten reifen liessen, nun importiert man sie ganzjährig für König Kunde billig und zum Investorenwohl günstig, deren Absatz fördert man trotzdem ungeniert mit Gefasel von Naturnähe, Slowfood und Nachhaltigkeit. Seit jeher wurden Schnapsideen schnell geboren und gehörte das weinselige Weltverbessern an studentischen Küchentischen zum guten Ton. Im Fakenewsdschungel zählt der blitzartige Schein, es fehlt die Zeit für eine Seinswerdung über mühselige Lehr- und Wanderjahre, in denen man zum Wissen das Anwenden und zum Wollen das Tun erlernen könnte. Vielleicht ist dies die grösste Ironie von allen, dass sich eine immer älter werdende Gesellschaft eins ums andere Mal von Bierideen der Jungparteien kirre machen lässt.

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