Jenseits von Feminismus
Emanze ist ein Schimpfwort, keine Frage, überhaupt gilt der Feminismus ganz allgemein als grusig gestrig. Wer sich zu Frauenrechten äussert, macht sich des Gender-Mainstreamings verdächtig, allein der Begriff verrät die Schwere des Vergehens. Von den Themen Lohndiskriminierung und Chancengleichheit sollte man – insbesondere als Frau – die Finger lassen, an Quoten nicht einmal im Ansatz denken. Ungeniert hingegen darf und soll sich jedermann in allen Regenbogenfarben über die Ehe für alle freuen, zumindest im urbanen Umfeld. Abseits der Metropolen sorgt fürs einvernehmliche Miteinander ein eher pastorales Familienbild mit Frau am Herd und Mann beim Broterwerb. Der Haupstrom fliesst nun einmal nicht überall im selben Bett. Besonders trübes Wasser ergiesst sich über schmieriges Gestein, wenn Rassismus und Sexismus sich paaren und nicht jener der Frauen, sondern ein männlicher Penisneid sämtliche damit verbundenen Urängste weckt.
Stellungen werden bevorzugt allgemein bezogen: man ist pauschal gegen Genderismus oder generell gegen Diskriminierung. Weil der Kampf für etwas ohne Mitstreitende aussichtslos bleibt, wird ordentlich gefordert, wofür sich deutlich leichter auch Gefolgschaft finden lässt. Kein Wunder engagieren sich Frauen nicht mehr standhaft für gleiche Rechte in der Gesellschaft, sondern fordern vom Staat stattdessen mehr Unterstützung bei der Erfüllung ihrer Pflichten als Ehefrau und Mutter. So wie die Männer in den vergangenen Jahrzehnten nur widerwillig bereit waren, ihre gewohnten Privilegien Häppchenweise an die Damen abzutreten, sind es nun die Frauen, die auf ihre verbliebenen Vorrechte nicht mehr verzichten wollen. Nicht auf Augenhöhe, sondern Aug in Aug stehen sich die Geschlechter einander gegenüber, umkreisen sich wie Raubkatzen, knurrend, fauchend, futterneidig und ihre Pfründe verteidigend. Es herrscht ein Patt des voneinander Weichens, beim kleinsten Fehler kratzt man sich gegenseitig die Sehorgane aus. Weit entfernt von einem ebenbürtigen Miteinander dominiert wieder das giftige Gezänk, dank nunmehr gleich langen Spiessen ab und an auch gern mit umgekehrten Rollen.
Anerkennung findet selbst das Kreuzen der Klingen innerhalb der eigenen Reihen. Einst wollten sie das enge Nest verlassen und im weiteren Leben nach Erfüllung jagen, nun ist es einigen drinnen an der Wärme wohl so bequem geworden, dass sie nicht selten schmutzig über jene lästern, die draussen in der Kälte wirklich leiden. Nach dem Erringen der Gleichberechtigung sollte eigentlich eine post-feministische Überwindung der Geschlechterfrage folgen, doch die Freiheit nach der Gleichheit scheiterte an der Brüderlichkeit der Schwestern. Das einstmals kluge Wirken der Blaustrümpfe schlug in Neo-Feminismus um, über den sich aus weit besseren Gründen schimpfen liesse. Ohne mit den künstlichen Wimpern zu zucken, verkünden stolze Nicht-Emanzen neben einem Gummipuppenlippenbild, dass auch sexy Frauen klug sein können. Weil manche meinen, als Täterinnen die erreichte Emanzipierung beweisen zu können, lehnen sie die Opferrolle ab, tatsächlich Betroffenen werfen sie verbissen vor, der Sache der Frauen mit Absicht nicht zu dienen. Ein Glashaus aber wird auch dann nicht zum Gemäuer, wenn man die Existenz jeglicher Glasdecken ignoriert, nur die Scheiben werden blind.
Die letzte Schlacht im Kampf um Egalität ist letztlich nur zu gewinnen, wenn Frauen sich den Widrigkeiten der äusseren Welt mit allen Konsequenzen stellen. Doch statt auf der Zielgeraden durchzuhalten und auch dann noch solidarisch zu bleiben, wenn dies Gegenwind auf dem eigenen Pfad bedeutet, wechselt manche lieber elegant die Seite und profitiert vom Strom in umgekehrter Richtung. Resigniert im Kampf gegen die ständige Aberkennung ihrer Rechte, pervertiert sie die Kränkung in Stolz, nennt sich selbst Bitch und vertuscht damit ihre Kapitulation. Es ist wie mit dem Liberalismus, dessen konstruktiven Kern Populisten aus gutem Grund unterminieren, ebenso zersetzen die Neo-Feministinnen den einst thymotischen Feminismus, bis nur noch der überwunden geglaubte erotische übrig bleibt. Wer Macht hat, hängt daran. Indem man andere in Scheingefechte verwickelt, hält man sie vom Sägen am eigenen Stuhlbein ab. Vom Klassenkampf ist nur der Geschlechterkrieg geblieben, die Aufmerksamkeit liegt dank erfolgreicher Empörungsbewirtschaftung jenseits der wirklich drängenden Fragen und von sachlicher Vernunft ist die politische Debatte weit entfernt. Der Logos ist männlich, es sind am Ende dann auch Männer, die nach dem weibischen Gezänk schliesslich reflektiert und vernünftig das Wort ergreifen. Einmal mehr schweigen die grossen Stimmen, allen voran die weiblichen. Wo Worte Waffen sind, dient Pazifismus allzu oft als Feigenblatt.