Bissige Bürotrolle
In der Welt der Sozialen Medien nennt man sie Trolle: sie kommentieren alles und jedes mit bissigen, persönlichen und zuweilen beleidigenden Bemerkungen. Sie suchen Streit, doch den Gefallen darf man ihnen nicht tun. Man soll sie nicht füttern, heisst es, weil es kaum Spass macht, schweigende Mauern anzupinkeln. Andererseits hat es sich auch bewährt, die zänkischen Wortzwerge mit geistreichem Witz in die Schranken zu verweisen. Zumeist ziehen sie dann winselnd ab, und andere freuen sich über die frechen Antworten der Community Manager. Nicht ganz ohne Mitgefühl muss man annehmen, dass solche Wadenbeisser ohne Kinderstubenwärme aufgewachsen sind. So mancher Troll ist wohl furchtbar einsam, hat in jahrelanger Stille längst verlernt, sich auf konstruktive Weise mit andern zu unterhalten. Ob diese traurigen Umstände allerdings eine Folge oder die Ursache des streitsüchtigen Verhaltens sind, lässt sich schwer entscheiden.
Wobei streitsüchtig nicht das richtige Wort ist. Streiten ist nämlich keineswegs a priori destruktiv, es kann auch sportliches Wetteifern oder lustvolles Debattieren bedeuten. Daran kann man körperlich wie geistig durchaus wachsen, es ist also im besten Sinne konstruktiv. Kurt Imhof entgegnete denn auch einmal sehr treffend: «subjektive Motivationen zu widerlegen ist argumentativ nicht möglich, also kann man nicht darüber streiten». Man könnte auch sagen: Arguing is futile. Das gilt auch fürs reale Leben, wenn einem Menschen mit subjektiver Motivation begegnen. Im Projekt- und Sitzungsleben des Büroalltags sind es die Bulldoggen im Besprechungszoo. Man erkennt sie an ihrer aggressiven Unart, ständig zu widersprechen. Sie gefallen sich ungemein darin, selbst den kleinsten Beitrag zu einer Lösung zu verweigern. Auch Bulldoggen sollte man nicht füttern, sondern sachlich bleiben und sich keinesfalls auf den gesuchten Streit einlassen. Der Sitzungsleitung wird empfohlen, andere die Kritikflut mit deren Argumenten widerlegen zu lassen. Auch Besprechungstrolle beissen nämlich nicht in jede Wade, sie sind durchaus wählerisch. Wie im virtuellen Raum kann es helfen, sie in den toten Winkel zu setzen und so aus dem Sichtfeld zu sperren.
Ausserhalb von Meetingräumen drangsalieren einen Bürotrolle gerne mit E-Mails oder aufdringlichen Telefonkontakten, wobei sie mit Vorliebe jedes Detail ihres vermeintlichen Anliegens auf mehrere Anrufe oder Nachrichten verteilen. Zumeist legen sie ohne Einleitung mit Inbrunst los und überschütten ihre Opfer mit Kritik an unbrauchbaren Applikationen, bürokratischen Prozessen und unnützen Weisungen. Während man die Mails wenigstens in Ruhe beantworten oder den Telefonhörer weit weg vom Ohr halten kann, ist die persönliche Konfrontation doch zumeist sehr anstrengend. Bürotrolle treten ohne Vorwarnung ans Pult, erteilen Befehle oder rufen selbst im Grossraumbüro lautstark aus, wenn etwas ihrer subjektiven Meinung nach nicht funktioniert. Versucht man ruhig und geduldig herauszufinden, was ihr Anliegen eigentlich ist, werden sie erst recht wütend und herrschen einen an, doch gefälligst das zu tun, was sie wollen. Beleidigungen werden in Seriefeuer abgegeben, man sei nicht serviceorientiert, würde nicht zuhören und solle sich gefälligst nicht stur einer konstruktiven Problemlösung widersetzen.
Entsprechend bemerkenswert ist ihr Verhalten, wenn man umgekehrt eines Tages etwas von ihnen möchte. Dann nämlich scheinen sie eine geradezu teuflische Freude daran zu finden, Lapalien zu Staatsaffären aufzublasen. Man kann sie noch so höflich und korrekt um die Ausführung ihrer Aufgabe bitten, sie treten mit Verve durch Verweigerung gegen das reibungslose Funktionieren des Systems an und verbergen sich mit Vorliebe hinter Laufwegen, Regelwerken und Nicht-Zuständigkeiten. Es ist anzunehmen, dass ihnen ihr Beitrag zum grossen Ganzen minderwertig vorkommt und sie auf diese Weise versuchen, sich und ihrer Arbeit mehr Bedeutung zu verleihen. Organisationen allerdings sind agil und fähig, rostige Rädchen mit der Zeit einfach zu umgehen. Die Wasserläufe suchen sich andere Wege ins Meer, das ist die physische Variante, dem sinnlosen Streit mit subjektiven Motivationen auszuweichen und den Trollen das Futter zu entziehen. Es mag elegant sein, sie einfach zu ignorieren, doch muss man sich dann auch den Vorwurf der Feigheit gelegentlich gefallen lassen. Wünschenswert wäre, wenn mehr Kollegen und Vorgesetzte den Bürotrollen mit ebenso geistreichem Witz begegneten, wie dies Community Manager tun, wenn sie ihren Pappenheimern souverän, beherzt und konsequent auf Augenhöhe begegnen. Doch immer öfter steht T-E-A-M heute für toll, ein anderer meckert, und den meisten ist es leider wohl dabei.
Gerade habe ich ein treffendes neues Wort gelernt. Ich kenne sie auch, diese «Bürotrolle».