Frauen sind unbezahlbar
Die Weltwoche sorgt sich zum Valentinstag um unsere Männer. „Meine Teure“ steht unter dem Titelbild im 60er-Jahre-Stil: er (dunkelhaarig mit Brille) trägt sie (blond und kostspielig) auf Händen. Die Story: Bevor er auf dem Heimweg „noch rasch“ einen Valentinsstrauss besorgt, fragt der kluge Mann nach, ist sie noch ein Schatz, verdient die teure Gattin diese Wertschätzung überhaupt? Die meisten Frauen können gut auf halbherzige Last-Minute-Blumensträusse von der Tankstelle verzichten. Doch seine Antwort wird auch davon abhängen, was nachts im Bett durch ihr Nachthemd schimmert, nebst dem Hunderttausend-Franken-Preisetikett daran. Gemeint ist das durch ihre Nichterwerbstätigkeit entgangene Einkommen. Ist sie trotzdem ein Schatz, lohnen sich also die hohen Investitionen für ihn? Nein, und schuld daran sei die Frau, weil sie, mit Waschmaschine, Saugroboter und Brotbackautomat nunmehr arbeitslos geworden, eine neue Rolle ausserhalb der Familie suche. Neiaberau!
Weil der Mann also den Automaten erfunden hat, ist der Frau nun langweilig geworden. Deshalb geht sie arbeiten, worauf er sich um seine Investitionen betrogen fühlt. Aha. Es kommt noch besser: der um sein Geld betrogene Mann sieht sich nun gezwungen, anderswo tröstenden Ersatz zu suchen: vorgeschlagen werden Scheidung, Seitensprung, Bordellbesuch oder offene Ehe, alles leider auch nicht ganz billig. Einigermassen günstig zu haben wäre Polygamie (gemeint ist natürlich die Polygynie und nicht die Polyandrie), zumal dieses Modell auch im Interesse der Frauen wäre (leise Zweifel sind hier angebracht). Zum Leidwesen jener, die sich die Vielweiberei leisten könnten, verteidigt nun aber die normalverdienende Männermehrheit die Monogamie als günstigste Alternative mit allen verfügbaren demokratischen Mitteln, so die Quintessenz des Artikels.
Der Mann hat somit einen schmerzlichen Verlust zu beklagen, und dies in äusserst schwierigen Zeiten! Seine Renditeerwartungen werden nicht mehr erfüllt. Der Bankberater würde es mit schwierigen Marktbedingungen und Negativzins erklären, doch im wahren Leben liegt das Problem tiefer. Was verführt einen Mann überhaupt dazu, in eine Frau derart langfristig, hoch riskant und mit lausiger Rendite zu investieren? Die Frau das Muttertier sucht ein sicheres Nest, folglich muss der Mann genau das bieten wollen. Nur wie macht ihm die Natur das schmackhaft? Eine Erklärung dazu lieferte Dürrenmatt 1980 in einem Interview: Die Frau als biologischer Boden habe das Denken im männlichen Sinne nicht nötig, der nicht-gebärende Mann werde in einem gewissen Sinn überflüssig, was er seinerseits durch geistige Arbeit ausgleichen müsse. Es liegt nahe anzunehmen, dass er deshalb seine Erfüllung in der ausserhäuslichen Arbeit sucht, den Erfolg im Lohnerwerb und die Anerkennung im Sozialprestige. So leuchtet auch ein, warum er in Panik gerät, wenn die Angetraute flügge wird: eine anständige Karriere verlangt die konsequente Auslagerung aller nicht aufstiegsrelevanter Aufgaben, also der gesamten häuslichen Infrastruktur: Haus, Hof, Kind und Kegel. Der Kollateralschaden jedoch ist dramatisch: sie sitzt daheim und muss entgegen ihrer Erwartung das Nest nun doch allein bestellen, auf dem biologischen Boden gedeiht der Nachwuchs an ihrem Rockzipfel und der Mann ist ständig ausser Haus – er ist tatsächlich überflüssig geworden. Ihr ist nämlich nicht langweilig, weil sie keine Lust mehr hat, einsam fasziniert die ewig rotierende Waschmaschinentrommel anzustarren, sondern weil sie dank ihrer Ausbildung weiss: sie könnte das Gerät auch selber bauen. Das ist der zweite Grund für seine Panik.
Richtig, aus der arbeitsteiligen Koproduktion ist eine Arbeits-Konkurrenz geworden, da gibt es nichts zu deuteln. Das Problem ist jedoch nicht die Automation, sondern die Tatsache, dass jegliche Arbeitsteilung im Wandel der Zeit den tatsächlich anfallenden Aufgaben angepasst werden muss. Die Höhlenfrauen gingen nicht deshalb Beeren suchen, weil sie Kinder gebären konnten, sondern weil sie es einschliesslich des notwendigen Wissens um die jeweilige Bekömmlichkeit der Naturprodukte besser beherrschten als das erschöpfende Jagen und Heimschleppen schwerer Beutetiere. Heute geht der Dienstleistungsmensch in der Mittagspause joggen, weil er unter chronischem Bewegungsmangel leidet. Es kann nun wirklich niemand mehr behaupten, Frauen wären zu schwach für die Bedienung eines Smartphones oder das Tippen auf der Computertastatur! Da war der Alltag der Dame auf dem Titelbild als Kabel stöpselnde Telefonistin oder dauerschreibende Stenotypistin wesentlich kräfteraubender, vom Tippen auf den alten Schreibmaschinen ganz zu schweigen. Der Denkfehler liegt seit jeher darin begründet, dass der Mann ständig annimmt, dass Kinderkriegenkönnen aus irgendeinem imponderablen Grund die geistige Denkfähigkeit beeinträchtigt. Diese Annahme mag den Mann trösten, aber sie ist falsch. Eine zeitgenössische und damit investitionsschützende Arbeitsteilung muss den heutigen Anforderungen genügen. Diversifikation reduziert das Risiko! Zum Wohle aller, der Söhne und Töchter, Väter und Mütter, rentiert es heute, wenn beide arbeiten, erziehen und haushalten. Erstens kann sie sich ihr Nachthemd dann selber leisten, zweitens sieht er vielleicht wieder mit mehr Wertschätzung was unterm Nachthemd durchschimmert und drittens kann sie ihn am Valentinstag zum Essen einladen. So ein Schatz ist unbezahlbar!
Liebe Johanna,
Tausend dank für diese Antwort auf den Weltwoche-Artikel! Ich selbst hätte nicht gewusst wie antworten auf einen solchen Artikel, der alles verdreht und so diametral meinen eigenen Vorstellungen entgegengesetzt ist. Wie so oft bei Weltwoche-Artikel habe ich während dem Lesen darauf gehofft, dass alles nur Satire ist und irgendwann die Auflösung folgen wird: Vergeblich!
Vor allem deine letzten vier Sätze bringen das Thema der «gleichwertigen Partnerschaft» auf den Punkt.
Ich freue mich, mehr von dir zu lesen.
Liebe Leapantella – danke herzlich für Deinen Kommentar! Beat Gygi war vorher bei der NZZ, seit Januar 2015 bei der Weltwoche. Ich nehme an, ein bisschen Ironie ist sicher drin in seinem Artikel, jedenfalls hoffe ich das schwer!